Klima-Aktivisten – keine Klimaretter?

Artikel von Peter Wiebe , 23.08.2022

Vorab: Das Thema Klima-Aktivismus ist weitreichend, umfasst verschiedene Auslegungen und ist eine Sache der Definition. In diesem Kommentar gehe ich auf einen Teil der Handlungen der „Letzten Generation“ ein, welche durch ihre Aktionen und daraus resultierende Medienpräsenz ins Auge Einiger gelangt sind.

Ich spreche von den denen, welche mitunter für die Autobahnblockaden in Berlin mit dem gewissen „klebrigen Extra“ zuständig waren. „Letzte Generation“ nennt sich diese Gruppe, welche vermehrt die Aufmerksamkeit auf den Klima-Notstand lenken will. Mit allen Mitteln, wie es scheint.
Straßen zu blockieren, um Autos aufzuhalten, scheint noch herleitbar zu sein, nicht aber die Aktion Mitte Juli. Folgend haben Mitglieder der „Letzten Generation“ und der französischen Gruppe „Dernière Rénovation“ die Tour de France blockiert. Eines der größten Fahrradrennen weltweit, wobei mir die Frage aufkommt, inwiefern Fahrradfahrer gegen den Klimawandel zu blockieren seien. Mit dieser Aktion habe ich komplett den Glauben verloren, habe jedoch auch angefangen, Fragen zu stellen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist unanfechtbar und einer der größten Herausforderungen, denen wir uns heutzutage stellen müssen. Ob man jetzt jedoch auf solche Mittel zurückgreifen muss, ist meines Erachtens sehr fraglich.
Fest steht, dass eine sehr große Aufmerksamkeit erreicht werden soll. So berichtet es auch die Gruppe in einem ihrer YouTube Videos. In diesem wird die Tour de France teils mit dem Klimawandel verglichen und aufmerksam gemacht, dass mit dem Klimawandel solche Sportereignisse nicht mehr möglich seien. Die jubelnden Menschenmassen müssten in die bittere Realität geholt werden, heißt es so oder so ähnlich*.

Je größer die Aufmerksamkeit, desto weiter kommen die Aktivisten mit ihrem Ziel, uns die Augen vor dem Klimawandel zu öffnen und zu Handlungen anzuregen? Falsch, behaupte ich. Oftmals habe ich mich über die Autobahnblockaden aufgeregt, von den Betroffenen ganz zu schweigen. Die Blockade der Tour de France hat das Ganze auf ein neues Level gehoben. Mir geht seither durch den Kopf, ob die Aktivisten nicht eine ganz falsche Strategie verfolgen. Denn diese suchen und brauchen den Rückhalt des Volkes, wobei es nur ironisch ist, dieses zu verärgern. Den besten Rückhalt sichert man sich doch, wenn man überzeugt und andere mit seinen Ideen fesselt, nicht aber diese, sein Klientel, verärgert und gegen einen aufbringt. Aufmerksamkeit ist gut und wichtig, dies allein zeugt jedoch nicht von Erfolg. Die Schwierigkeit ist nun, beide Aspekte, Aufmerksamkeit und Empathie, zu verknüpfen. Wir leben in einer schnellen Welt, in der Vieles in unsere Köpfe geht, genauso aber wieder vergessen wird oder in den Hintergrund rückt. Ohne die zuletzt erwähnten „radikalen“ Aktionen der „Letzten Generation“ hätten diese wohl nur einen Bruchteil der medialen Präsenz bekommen und somit auch geringere Aufmerksamkeit. Sind die Aktionen somit wieder gerechtfertigt und zielführend?

Wieviel Empathie muss für wieviel Aufmerksamkeit bezahlt werden, um seine Ziele durchzusetzen?

Ein Teil aus dem Statement des Presseteams der „Letzten Generation“:
„Weder bei unseren Autobahnblockaden, noch bei Störaktionen bei Sportgroßereignissen gehen wir davon aus, dass dies unmittelbar die Klimakatastrophe verhindert. […] Unsere Aktionen sollen nicht „gefallen“, sie sollen unter anderem zu Diskussionen, wie dieser hier, anregen. Nur wenn der tödliche Notfall, in dem wir uns befinden, auch im Alltag wahrgenommen wird, haben wir eine Chance, die nötigen Schritte noch einzuleiten. Dafür ist öffentliche Aufmerksamkeit nötig. Unsere Aktionsformen brauchen nicht für alle Menschen sofort verständlich zu sein und es tut uns leid, dass wir unsere Mitmenschen stören müssen. Unsere Mitmenschen verstehen aber unser Anliegen und können zwischen der Aktionsform und dem Anliegen unterscheiden. Immer mehr Menschen begreifen angesichts der aktuellen Waldbrände, Dürren, Hungersnöte und all den anderen Auswirkungen der sich vor unseren Augen in rasanter Geschwindigkeit sich entwickelnder Katastrophe, dass wir jetzt handeln müssen.“
Zudem wird ein Vergleich/Bildnis angeführt:
„Wenn es in einem Haus brennt und der Feueralarm schrill in den Ohren schmerzt, dann führt dieses unüberhörbare Geräusch auch nicht dazu, dass das Feuer gelöscht wird. Der Feueralarm muss aber so laut sein, damit Menschen ihn hören, um sich und ihre Mitmenschen retten zu können. […] Wir haben die Wahl, ob wir angesichts des kurzen Zeitfensters, das uns bleibt, weiter über die Lautstärke des Feueralarms reden wollen, oder uns dran machen und alles Nötige dafür tun, um die tödliche Heißzeit und die Vernichtung unserer Zivilisationen zu verhindern.
(aus einem Statement des Presseteams der Letzen Generation auf eigene Anfrage, 21.08.2022)

Und Recht haben sie! Recht haben sie in dem Aspekt, dass Aktionen, wie vorhin erwähnt, zu Diskussionen anregen und uns so mit dem Thema beschäftigen lassen, bevor wir wieder unserem stressigen Leben zwischen Arbeit und Freizeit nachtrotten und keinen Gedanken daran verlieren. Ich kann nur noch einmal aufgreifen, dass die „Letzte Generation“ nicht „gefallen“ will, sondern sich vielmehr als Wecker oder eben Feueralarm sieht, welcher uns zu warnen versucht.
Ob dies jedoch Blockaden und den Eingriff in die Rechte anderer rechtfertigt, sowohl dem Klimawandel am Effizientesten entgegenzutreten, sei dahingestellt.
Ein Kommentar von Peter Wiebe
PS: Bei Diskussionsbedarf, Fragen, Kommentaren gerne anschreiben.



*YouTube.com: Letzte Generation unterbricht Tour de France - Stage 3 [03.07.2022] (Internetadresse (vom 06.07.2022)).