Nachmittag im Altenheim

Artikel von Peter Wiebe , 24.12.2022

Bad Hersfeld, 21.12.2022
Die Weihnachtsferien haben nach der dritten Schulstunde angefangen, und ich gehe mit einigen anderen in der Hersfelder Innenstadt umher, vom Parkplatz zum Bäcker. Wir setzen uns an einen Tisch mit Kaffee und Kuchen und ich frage, ganz ehrlich, warum wir nicht, wie alle anderen, Heim gefahren sind. Einfacher könnte es sein. Vier Stunden später war ich selbst über den Wandel verblüfft, mein älteres Ich nicht nachvollziehend.
Tage zuvor trafen wir uns mit einigen Schülerinnen und Schülern in der Schule, Freiwillige, welche gerne einen Nachmittag im Altenheim verbringen wollten. Eine genaue Vorstellung hatten wir nicht, nur, dass wir gegen Weihnachten eine kleine Freude bereiten wollten. Sei es mit den Bewohnern lesen, Brettspiele spielen oder einfach reden, was auch Berge versetzen kann. An diesem Tag waren wir zehn Besucher, gekürzt durch die umgehende Krankheitswelle. Wir brachten unter anderem einen negativen Coronatest, „Mensch ärgere dich nicht“, Memory und „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ von Mark Twain mit, und lasst mich nicht lügen, ein gemischtes Gefühl, was mich betrifft. Wahrscheinlich kam es von der Ahnungslosigkeit, der Ungewissheit, was uns genau erwartet. Wir betraten das Seniorenheim Residenz Ambiente, angesiedelt am Kurpark, und wurden in eine „gute Stube“ begleitet. Drei Damen saßen in dieser, an einem Tisch von vielen. Wir stellten uns vor, die Gedanken verblassten und die Abläufe verflüssigten sich. Man half an den Tisch, nahm die Spielwünsche entgegen und begann zu spielen. Die erste große Überraschung kam, auf die weitere folgten. Während ich bei „Mensch ärgere dich nicht“ die einzelnen Felder abzählte, sprangen die Figuren der beiden Bewohnerinnen um die Augenzahl, welche auf den Würfeln stand. Manchmal wurden die Farben verwechselt, jedoch sowohl von Ihnen als auch von mir. Man unterhielt sich, es wurde gescherzt, aber nicht geärgert, gelacht vielmehr. Gewonnen haben eigentlich alle.
Mit der zweiten Partie kamen auch verloren gedachte Erinnerungen und Gefühle wieder hoch. Ich habe kurz bezweifelt, ob der Nachmittag für die Bewohner des Seniorenheimes abgehalten wurde oder für uns selbst. Es war Memory, ein Spiel, welches ich zuletzt vor über fünf Jahren angefasst habe, leider. Natürlich merkte man den Unterschied der kognitiven Fähigkeiten zwischen den Bewohnern, das war jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Hindernis, mitzumachen und Spaß zu haben.
Man kam zur Ruhe, wahrscheinlich auch ein wenig zur Entspannung. Dieser Nachmittag erreichte jedoch nicht meine Erwartungen, er überragte diese sogar. Ich behaupte, dass diese zwei Stunden uns allen zugutekamen, überraschenderweise. Das Ziel, den Menschen durch die pure Anwesenheit ein wenig Wärme in der sonst so kalten Jahreszeit zu geben, wurde erreicht. Jedoch nicht durch Anstrengung oder harte körperliche Arbeit, sondern einfaches Dasein und auch ein wenig Kindsein.
Wofür das Ganze? Dankbarkeit. Man hat es gehört, ob es ausgesprochen wurde oder nicht, begleitet von einem guten Gefühl. Das allein reicht, um diesen Nachmittag wieder auszuleben. Daneben war es klar der Gewinn an anderen Perspektiven, Erfahrungen und Ansichten, der einfache Austausch mit den Senioren und Seniorinnen.
Zu erwähnen wäre jedoch auch die Tasse mit dem Schokoweihnachtsmann, ein symbolisches Geschenk der Residenz Ambiente.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mitgemacht haben, aber uns auch erst die Möglichkeit gaben, dieses Vorhaben umzusetzen. Es braucht nicht viel. Nur einen Anruf beim örtlichen Seniorenheim und eine Idee.
Frohe Weihnachten!